Gesicht von Nawalny für Fotomontage missbraucht

Ein Plakat mit dem Namen von Alexej Nawalny hängt beim Friedensgebet in der Kreuzkirche in Dresden.
Foto: Robert Michael/dpa

Der führende Vertreter der russischen Opposition starb vergangene Woche nach mehreren Jahren Haft im Gefängnis. Internetuser verbreitet nun erneut ein altes, verfälschtes Bild.

Achtung: Dieser Artikel enthält Links zu Webseiten, die sich möglicherweise auf Hassreden beziehen und auf denen verfassungsfeindliche Symbole zu sehen sein könnten.
Nach dem Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny macht ein vermeintliches Foto des Kremlkritikers in sozialen Netzwerken die Runde. Zu sehen ist eine Person mit freiem Oberkörper, auf deren Brust das Gesicht von Adolf Hitler tätowiert wurde. Das Gesicht ähnelt Alexej Nawalny. Doch ist dieses Foto echt?

Bewertung

Falsch, es handelt sich um eine Fotomontage. Nawalnys Gesicht wurde digital hinzugefügt. Die Original-Aufnahme zeigt einen anderen Mann.

Fakten

Eine Bilderrückwärtssuche zeigt schnell, dass das Bild manipuliert wurde: Auf dem Originalfoto ist nicht Alexej Nawalny, sondern ein anderer Mann zu sehen. Der Mann streckt seinen Arm zum faschistischen Gruß aus und trägt tatsächlich ein Hitler-Tattoo auf seiner Brust. Das Original lässt sich unter anderem in einem Artikel auf Russisch finden, der bereits am 5. November 2013 auf einer aserbaidschanischen Webseite veröffentlicht wurde.

Das Gesicht von Nawalny wurde offensichtlich mit einer Bearbeitungssoftware nachträglich in das Foto hineinmontiert. Die Größe und Position seines Kopfes auf dem veränderten Foto sehen bei genauerem Betrachten nicht sehr glaubwürdig aus, es lassen sich zudem Farbunterschiede feststellen.

Über die russische Suchmaschine Yandex lässt sich außerdem das Foto von Nawalny finden, das für die Fotomontage verwendet wurde. Es wird seit mindestens 2012 auf russischsprachigen Blogs geteilt. Sein Gesichtsausdruck ist darauf derselbe, für die Manipulation wurde das Gesicht leicht gedreht. Dieses Bild wurde während eines nationalistischen Marsches 2011 in Moskau aufgenommen, an dem Nawalny teilnahm. Er ist in der gleichen Kleidung und neben demselben Mann auf einem anderen Foto der Veranstaltung zu sehen.

Von diesem Marsch lassen sich keine Bilder finden, auf denen Nawalny ohne Hemd zu sehen ist. Darüber hinaus belegen zahlreiche im Laufe der Jahre veröffentlichte Fotos des Kremlkritikers, dass dieser keine Tätowierungen auf seinen Unterarmen und Händen hatte (im Gegensatz zu dem Mann mit dem Hitler-Tattoo – siehe hier und hier). Es handelt sich also nicht um den Körper von Nawalny.

Nawalny nahm ab den 2000er-Jahren an nationalistischen Märschen teil

Der Urheber der Fotomontage ist nicht bekannt. Das verfälschte Bild ist jedenfalls nicht neu, sondern kursierte bereits im November 2011 auf russischsprachigen Blogs: hier und hier.

Wann und wo genau das Originalbild des tätowierten Mannes aufgenommen wurde, ist unklar. Mehrere Elemente deuten jedoch darauf hin, dass es sich um eine Versammlung mit Bezug zu Russland handelt. So enthalten diese und weitere online verfügbare Aufnahmen des Mannes verschiedene Hinweise, die in diese Richtung weisen. Es sind beispielsweise Inschriften in russischer Sprache zu sehen, auf Tafeln oder auf den von der Menge gehaltenen Fahnen.

Diese schwarz-gelb-weiße Flagge ist die des Russischen Reiches. Sie wird häufig von nationalistischen Bewegungen im Land verwendet und ist besonders beim «Russischen Marsch» («Русский марш» auf Russisch) präsent. Dabei handelt es sich um eine nationalistische Parade, die jedes Jahr anlässlich des Nationalfeiertags am 4. November organisiert wird und an der auch kleine rechtsextreme Gruppen teilnehmen. In den 2000er-Jahren beteiligte sich Nawalny eine Zeit lang an diesen Märschen.

Nawalnys Witwe wirft Kreml Mord ihres Mannes vor

Alexej Nawalny erlangte weltweite Berühmtheit, weil er sich als Gegner Nummer 1 des russischen Präsidenten Wladimir Putin präsentierte. In seiner langen Geschichte als Kremlkritiker suchte er anfangs auch den Schulterschluss mit Nationalisten. In dieser Zeit fiel er auch mit kontroversen Äußerungen auf, etwa gegenüber Migranten. Für einige Aussagen hat sich Nawalny später entschuldigt.

Besondere Aufmerksamkeit erregte seine Arbeit gegen die Korruption in Russland. 2020 überlebte er nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok. Nachdem er in Deutschland von den Folgen des Giftanschlags behandelt worden war, kehrte Nawalny 2021 nach Russland zurück – und wurde noch am Flughafen verhaftet. Nawalny wurde wegen angeblichen Betrugs, aber auch unter dem Vorwurf des Extremismus zu insgesamt 19 Jahren Lagerhaft verurteilt. Er und viele andere bezeichneten die Urteile als politisch motiviert.

Vergangene Woche ist der Oppositionspolitiker im Straflager «Polarwolf» im hohen Norden Sibiriens ums Leben gekommen. Zum Zeitpunkt des Todes war er 47 Jahre alt. Seine Frau Julia Nawalnaja hat Kremlchef Wladimir Putin beschuldigt, die Ermordung ihres Mannes veranlasst zu haben. Auch Menschenrechtler in Russland haben dem russischen Machtapparat Mord vorgeworfen. Der Kreml wies die Vorwürfe zurück.

(Stand: 21.2.2024)

Links

Wie eine Bilderrückwärtssuche funktioniert (archiviert)

Originalfoto in Artikel von 2013 (archiviert)

Yandex-Suche (archiviert)

Foto von Nawalny auf einem Blog im Jahr 2012 (archiviert)

Foto von Nawalny beim «Russischen Marsch“ 2011 (archiviert)

Aufnahmen aus den Jahren 2012–20132018 und 2022 (archiviert hierhier und hier)

Weitere Bilder des tätowierten Mannes III und III (archiviert hierhier und hier)

Fotomontage auf Blogs von 2011 I und II (archiviert hier und hier)

Über die Flagge des Russischen Reiches (archiviert)

Über den Russischen Marsch (archiviert)

Über frühere Aussagen und Teilnahme Nawalnys bei russischen Märschen (archiviert)

«Tagesschau» über Alexej Nawalny (archiviert)

Facebook-Post (archiviert / archivierte Fotomontage)