Bewertung
Falsch. Dzienus hält seinen Wahlausweis in die Kamera, nicht seine Stimmkarte. Das ist erlaubt. Die «Bild» löscht später ihren Artikel, «Focus» berichtigt.
Fakten
Die «Bild»-Zeitung korrigiert sich am Abend der Kanzlerwahl um 20:22 Uhr in ihrem Ticker: Sie habe am Nachmittag geschrieben, «dass Timon Dzienus (28), Ex-Sprecher der Grünen Jugend und Bundestagsabgeordneter, hinter der ungültigen Stimme bei der Merz-Wahl stehe. Das war falsch. Die Meldung wurde gelöscht.»
Der «Focus» schreibt: «Zunächst hatten wir an dieser Stelle berichtet, dass Dzienus seinen Stimmzettel gepostet hat, das ist jedoch falsch. Wir haben den Fehler korrigiert.»
Auch FDP-Politiker Wöllmann muss später zugeben: «Timon hält hier den Wahlausweis in die Kamera, nicht seine Stimmkarte. Rechtlich ein Unterschied.»
Was war geschehen?
Dzienus hatte während des ersten Wahlgangs im Bundestag auf X ein Foto von sich mit dem Satz «Gerade GEGEN Friedrich Merz gestimmt!» veröffentlicht. Dass ein grüner Oppositionspolitiker nicht den Kanzler der schwarz-roten Regierungskoalition wählt, ist selbstverständlich – und wurde unter anderem auch von der Fraktionsspitze so angekündigt (ab 1:38 Min.).
Doch das orange Papier, das Dzienus hochhält, ist kein Stimmzettel, auf dem man «Ja», «Nein» oder «Enthalte mich» ankreuzen konnte. Es ist eindeutig zu lesen, dass es sich um seinen Wahlausweis handelt, der seinen Namen trägt.
Den Wahlausweis benötigen Bundestagsabgeordnete, um ihre Stimmabgabe zu dokumentieren, nachdem sie die Stimmkarte in einer Wahlkabine gekennzeichnet und dort in den Wahlumschlag gelegt haben. «Bevor Sie den Wahlumschlag in eine der Wahlurnen werfen, müssen Sie Ihren Wahlausweis einer der Schriftführerinnen oder einem der Schriftführer an der Wahlurne übergeben. Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl kann nur durch die Abgabe dieses Wahlausweises erbracht werden», erläutert (S. 42) Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) vor dem ersten Wahlgang.
Wie ist die Rechtslage?
Vor der Wahl gibt Klöckner (Video ab 4:55 Min.) das Prozedere der Wahl bekannt. Dabei sagt sie (S. 42): «Das Fotografieren oder Filmen der ausgefüllten Stimmkarte stellt einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis dar und verletzt die Ordnung und die Würde des Hauses. Ich behalte mir vor, auch bei nachträglicher Kenntnis von entsprechenden Verstößen Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen.» Vom Zeigen des Wahlausweises ist keine Rede.
Nach der Geschäftsordnung des Bundestages kann die Präsidentin auch nachträglich «wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages» gegen ein Mitglied des Bundestages «ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festsetzen», im Wiederholungsfall von 2.000 Euro.
(Stand: 7.5.2025)
Links
Plenarprotokoll der Bundestagssitzung vom 6.5.2025 (archiviert)
Video der Bundestagssitzung vom 6.5.2025
Bundestag über geheime Wahlen (archiviert)
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages über Ordnungsgeld (archiviert)
Dzienus-Foto auf X (archiviert)
RTL-Interview mit Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge zur Kanlerwahl (archiviert)
«Bild»-Ticker zur Kanzlerwahl im Bundestag (archiviert)
«Focus»-Artikel über Dzienus-Foto mit Korrekturhinweis (archiviert)
Wöllmann-Post mit Falschbehauptung über Dzienus-Foto (archiviert)
Wöllmann-Post mit Berichtigung über Dzienus-Foto (archiviert)