Aus der Community für junge Medieninteressierte: NewZee Mia Stremme berichtet vom #UseTheNews-Workshop über die lokale, journalistische Annäherung an die Gen Z, Desinformationen auf TikTok und wie Journalist:innen Fakes erkennen können.
Studierende erreichen mit Instagram: Das neue Konzept des Kölner Stadt-Anzeigers
Zeitungen sind etwas für ältere Menschen und dafür Geld bezahlen – nein danke. So in etwa lautete das Feedback der Gen Z zum Kölner Stadt-Anzeiger. Harte Worte für die Redaktion, aber auch der Anfang für ein neues Ziel: Junge Menschen in Köln auf Instagram erreichen, informieren und an die Marke binden.
Im Webinar ein Jahr später erzählt Sarah Brasack, stellvertretende Chefredakteurin des Kölner Stadt-Anzeiger, von den ersten Erfolgen. Der Instagram-Account ksta_koeln hat mittlerweile 95.000 Follower:innen, über die Hälfte davon sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. Der Weg dahin war aufwendig und sei noch nicht zu Ende, sagt sie. Dafür nötig war ein neues Team, Schulungen in den Redaktionen und mehr Fokus auf das Thema Social Media und Video bei den Redaktionssitzungen. Auch thematisch wurde der Instagram-Account erneuert.
Inhaltlich unterscheiden sich die Themen auf der Social-Media-Plattform nun sehr zu denen der Printausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers, sind explizit auf die junge Zielgruppe zugeschnitten. Konstruktiver Journalismus und Good News spielen eine größere Rolle. Außerdem versucht die Redaktion, mehr Haltung zu zeigen. Es wird gegendert und offen über Sexualität, Liebe und Sexismus gesprochen. Gut laufen auch Ratgeber-Posts zur besten Hafermilch oder zum neuen veganen Restaurant in Köln. Auf formaler Ebene sollen ein einheitliches Design, mehr Zitate und Videos den Account ansprechender gestalten.
Der Fokus liegt aktuell auf der Reichweitengenerierung und weniger auf dem Erlös. Für die Zukunft wird auch über ein B2B-Plus-Abo nachgedacht. Bei diesem Modell sollen Hochschulen oder Unternehmen jungen Menschen das Abo für den Plus-Bereich des Kölner Stadt-Anzeigers finanzieren.
Schüler:innen auf die Medienwelt vorbereiten: Fit for news
Der Umgang mit dem Smartphone ist für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren ein Kinderspiel. Sie haben die technische Handhabung, kennen die Interaktionsmuster und besitzen multimediale Kommunikationsfreude, erklärt der emeritierte Professor Michael Haller von der Uni Leipzig. Er ist wissenschaftlicher Direktor des Europäischen Instituts für Journalismus- und Kommunikationsforschung und stellt das Projekt „fit for news“ vor. Trotz technischem Verständnis der Jugendlichen: „Knapp jeder zweite fühlt sich Desinformationen ausgeliefert“, nennt Haller eine Folge von mangelnder Informations- und Sprachkompetenz. Schüler:innen falle es schwer, zum Beispiel eine Meinungsäußerung oder eine Behauptung von einem Tatsachenbericht zu unterscheiden. Hinzu kommt eine tief sitzende Skepsis gegenüber den etablierten Newsmedien: Ein erheblicher Teil der Schülerinnen und Schüler in den neuen Bundesländern ist der Ansicht, die Journalisten der sogenannten Mainstreammedien würden den Vorgaben der Berliner Regierung folgen. Haller sieht darin ein nachhaltig wirkendes Hindernis, um die Jugendlichen an die professionellen Newsmedien heranzuführen.
„Fit for news“ möchte an diesem Punkt ansetzen und den Jugendlichen zunächst die Kommunikations- und Interaktionsregeln nahebringen, die das Informationsgeschehen auf den Plattformen der Sozialen Medien ausmachen. Darauf aufbauend lernen die Schülerinnen und Schüler die Merkmale und Kriterien kennen, die zuverlässige Informationen auszeichnen und von anderen Aussageformen unterscheiden. Anhand von Übungen und Gruppenarbeiten wird diese Kompetenz im Umgang mit verschiedenen Newsmedien vertieft und für die Nachrichtenüberprüfung inklusive Text-, Bild- und Videorückwärtssuche eingesetzt. Mit diesen Kenntnissen sind sie auch in der Lage, Falsch- und Desinformationen wie auch Propaganda und Verschwörungsmythen zu durchschauen.
„Fit for news“ ist ein modular gebautes Lehr-/Lernprogramm, das den Umgang mit News und Informationen als Querschnittskompetenz versteht und trainiert. In den verschiedenen Einheiten lernen die Jugendlichen nicht nur den informationskritischen und insofern reflektierten Umgang mit Online-Medien, sondern auch, wie verständigungsorientierte Kommunikation auf den Plattformen der Social Media funktioniert.
Factchecking gegen Desinformation
Desinformation hat viele Gesichter: Durch künstliche Intelligenz ist es möglich, Fotos künstlich zu erzeugen und Video-Material zu manipulieren. Die Ergebnisse sehen teilweise täuschend echt aus. Viel häufiger und genau so wirkungsvoll sind einfacher gestrickte Falschinformationen: Aus dem Zusammenhang gerissene Fotos und Videos oder Behauptungen, die sich nicht auf Fakten stützen, verbreiten Propaganda, Verschwörungstheorien oder absurde Sachverhalte. Faktencheck-Redaktionen decken solche Desinformation auf, überprüfen Augenzeugenberichte auf und liefern Hintergrundinformationen.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs erreichen echte Augenzeugenberichte und gezielte Desinformation auch zunehmend über die bunte Plattform TikTok die User:innen. Gleichzeitig seien einzelne Social-Media-User:innen und ganze Communitys selbst aktiv dabei, Netz-Inhalte zum Ukraine-Krieg überprüfen, berichtet Fiete Stegers, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Faktencheck-Experte an der HAW Hamburg.
„Desinformation funktioniert über Emotion“, sagt Stegers abschließend. Auf die umgekehrte Bildersuche von Google oder anderen Anbietern zurückgreifen und Texte zur Thematik querlesen, nennt er zwei Tipps für Journalist:innen und fügt noch einen Dritten hinzu: „Zeit, um abzuwarten und nicht der [oder die] Schnellste sein zu wollen, mit dem Risiko, dann falsch zu liegen.“
Faktencheck geht auch per WhatsApp
Ploppt nun auf Instagram oder Tik Tok ein Beitrag auf, der Zweifel aufwirft, kann man als User:in nicht viel machen, oder? – Genau für diese Fälle hat etwa die dpa-Faktencheck-Redaktion einen WhatsApp-Kanal eingerichtet, über den jeder oder jede Bilder, Texte und Fragen einreichen kann. Ein Chat-Bot nimmt zunächst mit der oder dem User:in Kontakt auf und lässt sich das Anliegen bestätigen. Danach versucht die Redaktion, die Behauptung zu checken, und bei einem Ergebnis erhält der oder die User:in die Antwort. Das kann manchmal mehrere Tage dauern.
Factchecking hat auch Grenzen
„Meinung kann nicht gecheckt werden, sondern nur Fakten“, ergänzt Teresa Dapp, Leiterin der dpa-Faktencheck-Redaktion. In solchen Fällen betreibt die Redaktion eher Debunking statt Prebunking: Die Lüge verbreite sich zuerst und die Richtigstellung der Fakten erreiche meistens nicht dieselbe Reichweite sowie dieselben Leute, so Dapp.
Michael Haller beschreibt am Ende des Webinars noch das Phänomen, dass ein journalistisches Original bald kaum mehr von einem professionell gemachten Deepfake zu unterscheiden sein wird. „Darum kann es nur darum gehen: Ist es zutreffend, was gezeigt wird oder ist es nicht zutreffend“, verdeutlicht er und fügt noch hinzu: „Da sehe ich nur den klassischen Weg zurück zur Erstquelle.“
Mein Fazit zum Thema Factchecking, Desinformation und lokale News für die Gen Z
Das Webinar hat noch mal veranschaulicht, wie wichtig es ist, Medienkompetenz aufzubauen. Die GenZ ist meiner Meinung nach die Generation, die am meisten mit Desinformation konfrontiert wird. Daher ist es so wichtig, die jungen User:innen zu sensibilisieren und Faktenchecks zu etablieren.
Außerdem ist Journalismus mit einer großen Breite an Themengebieten immer weniger erfolgreich bei der GenZ. Zielgruppenorientiert, kompakt und einfach – das sind die neuen Anforderungen an die Redaktionen. Ich finde es richtig und wichtig, auf die junge Generation zuzugehen und nicht nur Journalismus für die Boomer:innen zu machen. Doch momentan bedeutet das Erreichen der GenZ mehr Kosten- und Personalaufwand für die Redaktionen und weniger Erlös. Frei zugängliche journalistische Inhalte sind zwar ein großer Gewinn für die Online-Medienlandschaft, aber langfristig unrentabel. Daher bin ich gespannt, was in der Zukunft für Konzepte entwickelt werden, um Reichweite bei jungen Menschen zu generieren und gleichzeitig den Journalismus zu finanzieren. Möglichkeiten wie ein B2B-Abo könnten dabei ein Weg sein.