Deutschkenntnisse bleiben an NRW-Schulen zentrales Lernziel

Dass mehrsprachige Kinder in der Schule mehrere der von ihnen gesprochenen Sprachen auch schriftlich lernen, ist derzeit noch selten.
Foto: Marcel Kusch/dpa/dpa-tmn

Deutschunterricht in NRW bald abgeschafft? Das suggeriert ein Sharepic im Netz. Doch für derartige Pläne findet sich kein Beleg.

Nordrhein-Westfalen will angeblich «Deutsch als Schulsprache aufgeben» – das verbreitet jedenfalls ein Sharepic mit dem Zusatz «Kapitulation vor Zuwanderung». Bald also kein Deutsch mehr in den Schulen des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes? Die Realität sieht doch sehr anders aus.

Bewertung

Nordrhein-Westfalen gibt Deutsch als Schulsprache nicht auf. CDU und Grüne wollen dort die vorhandene Mehrsprachigkeit fördern und nutzen, um Schülerinnen und Schülern bessere Bildungs- und Berufschancen zu eröffnen. Deutsch lernen sollen und müssen sie weiterhin.

Fakten

Die geltenden Schulvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen sind eindeutig: «Die dauerhafte Förderung der deutschen Sprache ist eine Aufgabe aller Fächer und – soweit möglich – der außerunterrichtlichen Angebote», heißt es dort zur «Integration und Deutschförderung neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler». Das Erlernen der deutschen Sprache sei für Zuwandererkinder «grundlegende Voraussetzung» ihrer Beteiligung am Unterricht.

Zugleich sieht das Ministerium für Schule und Bildung vor, dass dabei «die Vielfalt der Sprachen der zugewanderten Schülerinnen und Schüler didaktisch einbezogen» wird. CDU und Grüne im Landtag meinen, Vielfalt und Mehrsprachigkeit böten Potenziale, die es besser auszuschöpfen gelte. Sie brachten deshalb einen Antrag ein, der «Mehrsprachigkeit an Schulen stärken» soll.

Dieser Antrag wurde in der Landtagssitzung vom 9. Juli 2025 ohne Debatte zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Schule und Bildung überwiesen. Diskussionen löste die Initiative der beiden Partner in der Regierung allerdings in den Wochen danach aus.

Sieht der Antrag tatsächlich vor, dass «Klassenarbeiten in NRW künftig nicht nur auf Deutsch» geschrieben werden, Schülerinnen und Schüler «Tests auf Ukrainisch» vorgelegt bekommen oder – wie in den sozialen Netzwerken behauptet – Deutsch als Schulsprache aufgegeben wird? Das Papier sieht eine lange Liste von Ansätzen zur Förderung der Mehrsprachigkeit vor, Deutsch als Schulsprache wird darin jedoch nirgends in Frage gestellt.

Ziel ist mehr Sprachkompetenz auch im Deutschen

Die Antragsteller von CDU und Grünen weisen darauf hin, dass viele Schülerinnen und Schüler schon über Kenntnisse einer anderen Sprache als Deutsch verfügen. Dies sollte man «als Ansatzpunkt nehmen, um Sprachkompetenzen sowohl im Deutschen als auch in den weiteren Sprachen durch gezielte Angebote auf- und auszubauen», erklären sie. Deutsch wird also keineswegs aufgegeben, im Gegenteil.

Zwei Punkte am Ende der Liste indes dürften zu den Überschriften mit Fragezeichen geführt haben. Dort wird die Landesregierung aufgefordert, «Mehrsprachigkeit im Rahmen von Zertifikatprüfungen sichtbar zu machen und zu stärken» und «Regelungen anzupassen, sodass fachliche Kompetenzen auch dann angemessen erfasst werden können, wenn ein Kind aufgrund noch unzureichender Deutschkenntnisse seine Kompetenzen nicht vollständig darstellen kann».

Wenn beispielsweise ein Zuwandererkind eine deutschsprachige Textaufgabe in Mathematik nicht versteht, könnte es trotzdem ein Erfolgserlebnis in der Schule haben, wenn ihm die Aufgabe in seiner Muttersprache vorgelegt wird. Das «noch» in der Formulierung des Antrags betont dabei das Ziel, allen Kindern ausreichende Deutschkenntnisse zu vermitteln.

Die Absicht hinter der Initiative

Mehrsprachigkeit hilft dem oder der Einzelnen aus Sicht der Antragsteller im Beruf und in der Gesellschaft. Sprachliche Vielfalt sei auch ein Standortvorteil für NRW, denn sie könne «zur wirtschaftlichen Innovationskraft und internationalen Wettbewerbsfähigkeit beitragen». Mehrsprachigkeit könne zudem dazu beitragen, «ein hohes bildungssprachliches Niveau in der Sprache Deutsch zu erreichen».

Die Untersuchung solcher Fragen ist komplex. Forschende kamen aber tatsächlich zu der Erkenntnis, «dass diejenigen Jugendlichen, die über besonders hohe Schreibfähigkeiten in den Herkunftssprachen verfügen, zugleich besonders gute Schreiberinnen und Schreiber im Deutschen und den getesteten Fremdsprachen sind». Studien belegen auch, dass Fremdsprachenkenntnisse einen signifikanten Einfluss auf Lohn und Beschäftigung ausüben können.

(Stand: 8.10.2025)

Links

Post mit Falschbehauptung (archiviert)

wa.de zu Mehrsprachigkeit (archiviert)

Schulvorschriften NRW (archiviert)

Landtagsdrucksache mit Antrag (archiviert)

Antrag von CDU und Grünen (archiviert)

Tagesordnung vom 9. Juli 2025 (archiviert)

Koalition (archiviert)

Landesregierung NRW (archiviert)

Kommentar auf noz.de (archiviert)

Forschung zu Mehrsprachigkeit (archiviert)

Studie Berufschancen (archiviert)