Meeresspiegel in Venedig steigt seit Jahrzehnten

Venedig erlebt immer wieder Hochwasser. Doch in einigen Jahrzehnten dürfte es nicht mehr ausreichen, mobile Stege auf dem Markusplatz aufzustellen.
Foto: Andrea Merola/ANSA/dpa

Venedig kämpft seit Jahren mit Hochwasser – und nun soll sich dort angeblich nichts verändert haben? Das wird in einem Video behauptet. Doch die Realität sieht anders aus.

Der Klimawandel ist spürbar, Extremwetterereignisse wie Dürre oder Starkregen nehmen zu. Hinzu kommt eine Auswirkung der Erwärmung, vor der seit Langem gewarnt wird: der Anstieg des globalen Meeresspiegels. Doch gibt es dafür überhaupt Beweise? In einem kurzen Clip, der auf verschiedenen Plattformen verbreitet wird, heißt es, dass sich am Pegelstand in Venedig seit über 1.500 Jahren nichts geändert hätte. Ist an diesem vermeintlichen «Beweis für den Schwindel der Klimasekte» etwas dran? 

Bewertung

Nein. Der Meeresspiegel steigt weltweit an, Venedig ist da keine Ausnahme. Wegen der Gezeiten ändert sich der Pegelstand dort außerdem ständig. Daher liefert das Video keine Informationen, wie sich der durchschnittliche Meeresspiegel entwickelt hat.

Fakten

Seit Beginn der Industrialisierung ist der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich um 20 Zentimeter angestiegen, schreibt das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Sollten alle Gletscher und Eisschilde schmelzen und in den Ozean fließen, rechnet die Nasa mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 60 Meter.

Das wirkt sich auf den Pegelstand in Venedig aus. Einer Grafik des italienischen Zentrums für Gezeitenvorhersage zufolge ist dort der durchschnittliche Meeresspiegel seit Ende des 19. Jahrhunderts um mehr als 30 Zentimeter gestiegen. Ein Effekt, der dies beschleunigt, ist die Absenkung der Stadt, die teilweise durch das Abpumpen des Grundwassers verursacht wurde.

Hochwasserschutz stößt an seine Grenzen

Um die Stadt bei Schwankungen des Pegelstands zu schützen, wurde 2020 das Hochwasserschutzsystem «Mose» in Betrieb genommen. Doch die Barrieren, die das Meerwasser am Eindringen in die Lagune hindern sollen, blockieren auch den Schiffsverkehr. Und die Aktivierung der im Meeresgrund verankerten Stahltanks ist sehr kostspielig.

Wenn es mit dem Tempo so weitergeht, dauert es einer neuen Modellrechnung zufolge nicht mehr lange, bis die Stadt unter Wasser steht. Nach dem Worst-Case-Szenario könnten bei einem Hochwasserereignis im Jahr 2150 fast zwei Drittel der untersuchten Landfläche überflutet werden.

Unterschiedliche Orte, gleiche Falschbehauptung

Immer wieder sollen Fotos und Videos aus aller Welt angeblich belegen, dass es keinen Anstieg des Meeresspiegels gibt. Dass es sich dabei um eine Falschbehauptung handelt, hat die dpa schon an Beispielen aus New YorkRio de JaneiroOslo und vielen anderen Orten nachgewiesen.

Der Clip aus Venedig wurde zuerst vom baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Miguel Klauß verbreitet. Er deutet darin aus einem Boot auf die Gebäude im Hintergrund.

Doch aus solch einer punktuellen Beobachtung des Wasserstands lässt sich keine Aussage über den durchschnittlichen Pegelstand ableiten. Allein der Unterschied zwischen Niedrig- und Hochwasser kann in Venedig phasenweise mehr als einen Meter betragen. Der Blick aus dem Bootsfenster kann also am Morgen ein völlig anderes Bild bieten als am Nachmittag desselben Tages.

(Stand: 10.5.2025)

Links

Tiktok-Video (archiviert)

Facebook-Video (archiviert)

Geomar zu Meeresspiegelentwicklung (archiviert)

Nasa zum Anstieg des Meeresspiegels (archiviert)

Messungen des Meeresspiegels in Venedig (archiviert)

Studie zum Absinken Venedigs (archiviert)

Modellrechnung für Venedig (archiviert)

Bericht in der «Stuttgarter Zeitung» über «Mose» (archiviert)

dpa-Faktencheck New York

dpa-Faktencheck Rio de Janeiro

dpa-Faktencheck Oslo

Infoseite von Miguel Klauß beim baden-württembergischen Landtag (archiviert)

Tide in Venedig (archiviert)