Sylt-Video führt zu Strafbefehl wegen mutmaßlichem Hitlergruß

Der Nachtclub in Kampen auf Sylt, in dem das Video 2024 entstand.
Foto: Bodo Marks/dpa

Rund ein Jahr nach den ausländerfeindlichen Gesängen in einer Bar auf Sylt liegen die Ermittlungsergebnisse vor. Doch auf Social Media werden sie teilweise falsch wiedergegeben.

Ein Video von einer Party auf Sylt schlug im Mai 2024 hohe Wellen: Zu sehen waren junge Menschen, die in einem Nachtclub zur Melodie von «L’amour toujours» des italienischen DJs Gigi D’Agostino die rechtsextreme Parole «Deutschland den Deutschen, Ausländer raus» sangen. Auch zu einem Hitlergruß soll es gekommen sein. Strafrechtliche Ermittlungen waren die Folge. Doch nun, fast ein Jahr später, heißt es in Social-Media-Beiträgen: «Sämtliche Verfahren in Sylt wurden eingestellt.» Dazu veröffentlichen Nutzer das Video. Hat es also keine juristischen Folgen?

Bewertung

Das stimmt nicht ganz. Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat die Ermittlungen gegen drei von vier Personen eingestellt. Wegen des möglichen Hitlergrußes hat sie hingegen einen Strafbefehl beantragt.

Fakten

Die Beiträge in den sozialen Netzwerken und viele Medienberichte zum Thema gehen zurück auf eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft Flensburg vom 28. April 2025. Darin wird der Stand zu den Ermittlungen zum sogenannten Sylt-Video mitgeteilt. Die Ermittlungen hatten sich gegen vier Personen gerichtet.

Gegen drei von ihnen, zwei Männer und eine Frau, hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen demnach eingestellt. Sie sollen die Parole «Deutschland den Deutschen, Ausländer raus» gesungen haben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Flensburg sei der Straftatbestand der Volksverhetzung aber nicht erfüllt.

Anders verhalte es sich laut Staatsanwaltschaft bei dem winkenden Gruß mit ausgestrecktem Arm und der Andeutung eines Hitlerbärtchens im Video. Die Strafverfolger haben laut Mitteilung einen Strafbefehl beantragt, der unter anderem eine Verwarnung und als Bewährungsauflage die Zahlung von 2500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung vorsieht. Akzeptiert der Beschuldigte den Strafbefehl nicht, kommt es zu einer Gerichtsverhandlung.

Parole ist nicht zwangsläufig Volksverhetzung

Gegen eine der Personen, gegen die die Ermittlungen eingestellt wurden, soll es Medienberichten (hier und hier) zufolge in München ein Verfahren wegen mutmaßlichen Drogenhandels geben. Zwar soll der Mann auch das Video aus Sylt hochgeladen haben. Allerdings, so die Staatsanwaltschaft Flensburg, falle die zu erwartende Strafe dafür verglichen mit einer drohenden Strafe in dem anderen Verfahren in München «nicht beträchtlich ins Gewicht» – daher die Einstellung des Verfahrens.

Das Singen oder Skandieren der Parole «Deutschland den Deutschen, Ausländer raus» wird nicht zwangsläufig als Volksverhetzung eingestuft. Die Staatsanwaltschaft Flensburg schreibt, dass die Parolen und die Gesamtumstände im Fall Sylt nicht zweifelsfrei zeigen würden, dass «eine aggressive Missachtung und Feindschaft in der Bevölkerung erzeugt oder gesteigert werden sollten». Dabei verwiesen die Ermittler auf das Bundesverfassungsgericht.

Dieses hatte 2010 festgestellt, dass die Parole «Ausländer raus» nur unter bestimmten Umständen ein Angriff auf die Menschenwürde sei, und zwar «wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird.»

Ursprung im Rechtsextremismus

Gegenüber dem NDR sagte der Flensburger Oberstaatsanwalt Thorkild Petersen-Thrö: «Wenn so etwas im Rahmen eines rechten Aufmarsches geäußert wird, mit klassischen Hitlergruß verbunden, dann könnte man davon ausgehen, dass das dann volksverhetzend ist.»

Die Parole «Deutschland den Deutschen, Ausländer raus» stammt aus dem Rechtsextremismus und wurde zum Beispiel in den 1990er Jahren bei ausländerfeindlichen und rassistischen Ausschreitungen wie in Rostock-Lichtenhagen gerufen. Seit 2023 tauchen in den sozialen Netzwerken immer wieder Videos auf, auf denen Menschen die Parole zur Melodie von «L’amour toujours» singen.

(Stand: 30.4.2025)

Links

«Tagesschau»-Bericht (archiviert)

Mitteilung der Staatsanwaltschaft (archiviert)

«Bild»-Bericht über die Ermittlungen (archiviert)

«Spiegel» zum selben Thema (Bezahlinhalt) (archiviert, ohne Bezahlschranke)

Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts von 2010 (archiviert)

Hintergrund zu der Parole (archiviert)

Beitrag auf X (archiviertVideo archiviert)